Vor kurzem habe ich den 1. zuckerfrei award in der Kategorie „Influencer“ gewonnen. Da möchte ich auch die Initiatorin vorstellen. Carla vom LifeSugarBlog hat den zuckerfrei award ins Leben gerufen:
Lass uns mal ganz vorne anfangen: was war der Auslöser dafür, dass Du Dich in das Abenteuer “zuckerfrei essen” gestürzt hast?
Ich bin über die ketogene Ernährung zum Thema Zuckerfreiheit gekommen. Mit 30 ging es gesundheitlich steil bergab. Ich wurde mit einem Hirntumor diagnostiziert (den ich nie hatte, diese Diagnose wurde von anderen Ärzten später ersetzt durch eine überfunktionierende Drüse im Gehirn, die zu viel Prolaktin produziert). Mehrere Jahre bekam ich dafür Medikamente. Nach sechs Jahren, in denen es mir immer schlechter ging und ich verschiedene Ärzte konsultierte, beschloss ich: So geht es nicht weiter.
Rein zufällig fand ich ein Video auf YouTube über ketogene Ernährung und in dem Video wurden viele meiner Symptome genannt. Besonders mein allgegenwärtiger Hunger und die darauffolgende Unterzuckerung mehrmals am Tag machten mir zu schaffen. Bei Keto regulieren sich Hunger- und Sättigungsgefühl, das klang unvorstellbar für mich, aber zu verlieren hatte ich nichts.
Wow, da hast Du ja wirklich eine intensive Zeit hinter Dir!
Wie bist Du dann vorgegangen, beim Zuckerentzug. Hattest Du ein Buch, das Dir geholfen hat? Ein Programm? Eine Ernährungsberaterin?
Ich habe von heute auf morgen meine Ernährung umgestellt mit einem Minimum an Informationen. Wenn das Konzept wirklich so gut ist, dann würde es sich mir beweisen müssen. Die ersten drei Tage waren furchtbar. Ich hatte das Gefühl in einem Fahrstuhl zu stehen, der nach unten fährt. Danach war das Gefühl weg, zehn Tage später verschwanden die Schmerzen in Fuß und Rücken, 14 Monate später war ich den Großteil meines Übergewichts los und hatte zum ersten Mal in meinem Leben ein normales Verhältnis zum Essen.
Zucker ist bei Keto nicht explizit verboten, aber da man die Kohlenhydratzufuhr stark reduziert, isst man einfach keinen mehr. Ich begann mich immer mehr mit dem Thema Insulin zu befassen und mir wurde da erst bewusst, was ich mir angetan hatte mit meinem regelmäßigen Verzehr an stark verarbeiteten Lebensmitteln, die fast immer Zucker enthalten. Und wie sehr dies verharmlost wird.
Vor allem fiel mir auf: Sowohl bei der ketogenen Ernährung als auch in der Zuckerfrei-Szene werden Aussagen kaum überprüft. Niemand schaut auf die Quellen, kaum einer hinterfragt. Also begann ich damit, mir manche Aussagen einmal genauer anzusehen und kam immer wieder auf das Thema Zucker.
Eins meiner Lieblingsbeispiele dafür ist der Kokosblütenzucker, der ja gerne verwendet wird in dem Glauben, dass er besser sei als der böse, weiße Haushaltszucker. In meiner Recherche konnte ich nachweisen, dass dies nicht der Fall ist und zwar anhand von Zahlen. Mit dieser Haltung nähere ich mich dem Thema und ich lese eher Studien und höre mir Podcasts an.
Die meisten davon sind auf Englisch und besonders den von Peter Attia kann ich empfehlen, muss aber vorwarnen, weil dort sehr viel Fachsprache benutzt wird. Die Folge mit Robert Lustig ist wirklich hervorragend für alle, die sich für Zuckerfreiheit interessieren. Man findet online sehr viele aktuelle Vorträge von Gary Taubes, einem Wissenschaftsjournalisten, der sich sehr intensiv mit Zucker befasst hat. Und wer wenig Zeit hat: Die meisten haben sehr gut gepflegte Twitter-Accounts, dort teilen sie aktuelle Studien dazu.
Danke, das sind wirklich tolle Empfehlungen! Da werde ich auch mal reinhören und reinschauen.
Zuckerfrei bedeutet ja für jede etwas anderes. Manche verzichten komplett auf zugesetzten Zucker, andere essen auch mal Datteln, Süßstoffe etc. Wie machst Du das?
Bei mir kommt kein Trockenobst mehr in die Küche und auch frisches Obst muss ich sehr stark einschränken, weil ich das immer noch in großen Mengen verzehren kann. Ich glaube nicht daran, dass Fruktose aus Obst harmlos ist. Der Körper braucht keine Fruktose. Egal welcher Herkunft. Das Überangebot, das wir aus unseren Supermärkten kennen, ist nicht nur unnatürlich, es ist aus meiner Sicht auch für das Klima ungesund.
Manchmal verwende ich Süßstoff, sehr selten Zuckerersatzstoffe, weil ich kaum Dinge esse, für die Zuckerersatz benötigt wird. Diese Dinge sind meiner Meinung nach nicht harmlos, aber sie haben ihren Platz in der Übergangsphase.
Was aber mehr in den Fokus rücken sollte: Wir sind zu sehr an süße Geschmäcker gewöhnt. Deshalb sollte man versuchen, diese Übergangsphase möglichst kurz zu halten. Man muss das auch immer im Kontext sehen: Warum will jemand zuckerfrei essen? Wer eine schwere Erkrankung managen will, muss wesentlich konsequenter vorgehen als jemand, der nur ein bißchen abnehmen möchte. Das sind vollkommen unterschiedliche Zielsetzungen und unterschiedliche Motive, die in die Gestaltung der Zuckerfreiheit einfließen.
Oh ja, ich glaube auch, dass wir alle uns viel zu sehr an den süßen Geschmack gewöhnt haben.
Und auch, dass zuckerfrei und welcher Form man das für sich selbst umsetzt, das hängt wirklich von den eigenen Umständen ab!
Was hast sich für Dich verändert, seit Du zuckerfrei isst?
Meine Ernährungsumstellung war eine Lebensumstellung um 180 Grad. Die größte Unterstützung fand ich bei meiner besten Freundin, die meine Beschwerden ernst genommen hat. Sie unterstützt meine neue Lebensweise hundertprozentig, denn sie hat gesehen, wie ich mich unter Schmerzen bewegt habe und wie ich mich jetzt, fast normal und altersgemäß, bewege.
Das ist toll, dass Du da so große Unterstützung bekommst! Das freut mich sehr.
Was ist denn für Dich die größte körperliche Veränderung?
Die für mich bedeutsamsten Veränderungen waren wohl, dass meine Drüse im Gehirn (der angebliche Tumor) seit meiner Umstellung normal arbeitet und ich keine Medikamente dafür benötige. Diese hatten sehr starke Nebenwirkungen.
Auch wieder halbwegs normal gehen zu können erscheint mir fast wie ein Wunder. Dass ich bei einem für mich normalen Gewicht angekommen bin, ohne zu hungern, ohne Sport zu treiben und zum ersten Mal in meinem Leben weiß, wie sich anfühlt satt zu sein und meinem Körper vertrauen zu können, hätte ich mir niemals träumen lassen.
Ich glaube das ist so wichtig, gerade für alle, die am Anfang stehen: zu erkennen, dass zuckerfrei nicht Verzicht ist. Sondern ein echter Gewinn an Lebensqualität!
Was machst Du in den Momenten, wenn der große Heißhunger auf Süßes kommt? Hast Du irgendwelche Tricks, Tipps oder Geheimrezepte?
Ich bekomme nur noch ein Mal im Monat hormonellen Heißhunger. Dann gebe ich meinem Körper das, was er braucht: Proteine und Fett. Ist der Heißhunger dann immer noch da, gibt es süßes Gemüse, z.B. Erbsen oder Möhren. Im Winter naturbelassene Nüsse. Am Anfang habe ich sehr dunkle Schokolade gegessen, aber davon bekomme ich mittlerweile Kopfschmerzen. Gerade experimentiere mit kleinen Mengen Frischobst, aber das kann ich jederzeit wieder ändern.
Ich habe für mich auch gemerkt, dass es mir hilft, wenn ich möglichst viel Gemüse esse. Verrätst du uns Dein liebstes Gemüsegericht?
Mein liebstes Gemüsegericht ist Blumenkohlpizza. Dazu macht man aus Blumenkohl, Ei und wahlweise Mehl einen Teig, bäckt diesen vor und belegt ihn dann ganz normal. Beziehungsweise: Ich belege ihn mit extra viel Käse.
Und meine letzte Frage: was rätst Du denen, die gerade am Anfang stehen? Was ist Dein Ratschlag für all diejenigen, die zuckerfrei werden möchten:
Durchhalten, es lohnt sich. Jeder Entzug geht vorbei, jede Unannehmlichkeit ist irgendwann überstanden. Ich rate auch dazu, sich aufzuschreiben, warum man zuckerfrei leben will. Hin und wieder auf das Geschriebene zu schauen, hilft bei der Stange zu bleiben.
Was am Anfang hinderlich sein kann, ist die Informationsflut, die über einem hereinbricht. Das meiste davon sind aber nur Meinungen. Sich den gesunden Menschenverstand zu bewahren und nicht auf alles zu hören, was andere einem einreden wollen, ist ein weiterer guter Ratschlag, den ich allen Zuckerfrei-Interessierten mit auf den Weg geben möchte.
Die wichtigste Komponente ist allerdings immer noch Wissen. Es gibt online so viele hochwertige Tiefeninterviews und bei jedem lerne ich etwas Neues dazu.
Oja, am Anfang ist die Flut an Informationen und Meinungen sehr groß. Gerade dann, wenn ja auch die eigene Unsicherheit groß ist! Aber zum Glück gibt es so viele Möglichkeiten, sich fundiert zu informieren.
Carla, vielen Dank für das Interview. Und dafür, dass Du den zuckerfrei award ins Leben gerufen hast!
Falls Du, liebe*r Leser*in mehr über Carla lesen willst, hier findest Du ihren LifeSugarBlog und hier mehr zum zuckerfrei award.
Und dann gibt es noch mehr Interviews mit den zuckerfrei award Gewinner*innen 2020.